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Erläuterungen von Dr. Achilles

Nachruf auf Jan van den Bongard
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Abstrakte Gemälde 2016-17
Aquarelle
Gemälde

Ein spannendes Experiment
Ein Bild zwei Maler


Zwei Maler, zwei Individualisten, tun sich zusammen, um gemeinschaftlich Bilder zu malen. Im Wechsel beginnt der eine das Bild, der andere vollendet es. Entweder gibt der erste das Thema vor oder der andere entwickelt es aus dem, was er sieht.

Es entstehen Ölgemälde, mehrdeutig und voller Spannung mit unglaublicher farblicher Intensität.

Der eine Maler ist Reinhardt Heinen vom Niederrhein, der andere ist der niederländische Maler Jan van den Bongard. Die Zusammenarbeit begann im September 2012. Beide Maler arbeiten häufig im hingebungsvollen, detailgetreuen Stil der alten niederländischen Schule aus dem 17. Jahrhundert. Sie sind Könner der klassischen Malschulen (van den Bongard arbeitet zunächst in Grisaille – Technik und lasiert dann farbig über die Grau - in - Grau - Untermalung, Heinen untermalt in Lokalfarben und lasiert dann darüber) und verbinden dies mit modernen Darstellungsstilen wie Magritte.

Mit der altmeisterlichen Maltechnik gehen Heinen und von den Bongard nicht in die früheren Jahrhunderte zurück, es handelt sich vielmehr um eine moderne Vision eines Detailrealismus, mit dem die Phantasie des Betrachters geweckt werden soll.

Der Betrachter wird aufgefordert, sich mit dem Inhalt eines Bildes auseinander zu setzen. Das ist mutig. Dazu meint die Malerin Brenner: „Ja, das ist out, glaube ich.“ Ein Blick in die Galerien der Moderne zeigt: Das stimmt verblüffend. Künstler scheuen die Botschaft. Tim Sommer meint in Art Juli 2013: „Eine Spätfolge der Moderne, was als Kunst von vornherein zu deutlich ist, erscheint uns naiv.“ Welcher Weg bleibt dem Künstler, wenn er inhaltlich arbeitet ? Dazu fällt Folgendes ein:

- Ironie
- Aussagen über die Gesellschaft (Gesellschaftskritik wie Leistungsdruck, Schnelligkeit,
  Angst und Manipulation)
- Philosophische Zweifel.


Heinen und van den Bongard wollen mehr zeigen als handwerkliche Fertigkeit. Sie haben wieder den Mut zum Inhalt und zur Aussage. Dies geschieht jedoch nicht naiv, weil überdeutlich. Ihre Bilder haben vielmehr eine ästhetische, emotionale und thematische Dimension. Sie wecken neue Assoziationen, schrecken nicht vor dem Absurden und Surrealen zurück. Die Detailgenauigkeit ist oft nur Tarnung. Die nachfolgend genannten Bilder haben in mir folgende Assoziationen geweckt:



Der große Krieger:
Er wird bewundert, behängt mit Orden, geehrt mit einer Statue aber auf Kosten anderer Getöteter. Hinter ihm liegen Verrat, verlassene Freunde, verbrannte Erde. Was bringt dem Krieger die Zukunft ?
 

Ikarus über Venedig:
Ich sehe den Absturz eines Mannes. Die Wucht des Aufschlages auf das Wasser ist schon spürbar. Er stürzt wie vom Himmel. Wie kam er in diese Höhen ? Übermut ? Anmaßung ?

Zyklus Wasserfälle:
Zu sehen sind stürzende Gewässer voller Gewalt, dann wieder friedliches paradiesisches Spiel von Wasser. Wasser als Bedrohung oder Lebensquell.


 
 
 

Tanz in der Leere:
Zu sehen sind Ruinen einer vergessenen Stadt. Ein Saal, Treppen ins Nichts, leere Fenster, keine Menschenseele.
Dann: ein Fisch; häuslich hat er sich eingerichtet unter eine Folie wie Wasser, schwebend im Untergeschoss, Natur erobert vergangene Zivilisationen zurück. Dann: eine Tänzerin kommt zurück in den Saal; von innen heraus leuchtet ihr weißes Kostüm. Wie kommt sie in diese verlassene Welt ? Geheimnisvoll in sich ruhend vollzieht sie den Tanz.
Ist sie die Hoffnung in einer verfallenen Welt ?


 
 
 

Vision des Voynich:
Zu sehen sind Frauenakte, verschmolzen mit fleischfressenden Pflanzen. Falter so groß wie ein Mensch. Fremdes Dickicht umschlingt alles. Eine Fliege wird verdaut. Eine hockende Frau betrachtet weltvergessen ihre Hände. Neben ihr ein geheimnisvolles aufgeschlagenes Buch – das Manuskript des Voynich. Hinter ihr in einer Vision ein Text in einer unbekannten Schrift einer unbekannten Sprache – es ist die Schrift des Voynich. Was will dieses Bild uns mitteilen? Auf den ersten Blick eine nicht zu entziffernde Welt. Ein Geheimnis bleibt.


Bei Betrachtung der Bilder fällt auf, dass auf einigen Bildern jeder Maler seine eigene Handschrift hinterlassen hat, in anderen Bildern gehen die Arbeiten ineinander über. Oft wird Bildteilen voller Farbe Hell - Dunkel gegenüber gestellt. Der Betrachter ist aufgerufen, dies zu deuten. Bei anderen Gemälden ist für den Betrachter nicht erkennbar, welchen Beitrag Heinen oder van den Bongard zu diesem Bild erbracht haben. Es bleibt dem Betrachter überlassen danach zu suchen. So geben die Bilder dem Betrachter Rätsel auf und laden zur Auseinandersetzung ein. Die Situation der modernen Gesellschaft wird häufig gespiegelt in altmeisterlicher Technik, inhaltlich in der Geschichte sowie Mythen der Vergangenheit.
Die Bilder zeigen wieder Mut zum Inhalt, aber auch zur Schönheit („Drei Grazien in Venedig“ und „Evas Erlösung“). Im erstgenannten Bild wird mit der aufgesetzten Schönheit der Modelle und der Schönheit der Erkennenden gespielt.
Verlässt der Betrachter diese Show überwältigender Bilder, so wird er entlassen mit einer neuen Sicht der Dinge, teils erleichternd, teils skeptisch nachdenklich. Auf jeden Fall ist der Betrachter überwältigt von der Wucht der Farben und den ungewöhnlichen handwerklichen Fähigkeiten der Maler.

Krefeld, den 09. Juli 2013


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Dr. Wolfgang Achilles